BVB und Klopp: "Heiße Liebe" ist erkaltet
Wiedersehen in der Europa League
An einem nasskalten Dezemberabend 2014, der BVB fremdelte gerade mit Tabellenplatz 16, da schwärmte Jürgen Klopp: "Es wird den Moment geben in meinem Leben, wo ich nicht mehr Trainer dieser Mannschaft bin. Dann werde ich nichts mehr vermissen, als diese Fans und diese großartige Atmosphäre." Elf Monate nach seinem Abschied kehrt er heute Abend zurück.

Mit dieser Choreo haben die BVB-Fans Jürgen Klopp am 23. Mai 2015 verabschiedet. Heute kehrt "Kloppo" als Trainer des FC Liverpool zurück nach Dortmund.
In Krisenzeiten wähnten manche Beobachter diese warmherzige Einlassung als Anzeichen einer gewissen Amtsmüdigkeit. Doch der Trainer schob die Nachfragen beiseite. Er habe nur einmal mehr seine "echte Liebe" zum BVB und seinem Publikum bezeugen wollen. Diese Episode mag nach klebrigem Pathos riechen. Doch Klopp sprach aufrichtig in diesem Moment.
Das Gesicht des BVB
Sieben Jahre lang prägte Klopp den Klub. Klopp wurde Kult, er war von 2008 bis 2015 das Gesicht von Borussia Dortmund. Elf Monate nach seinem Abschied kehrt er jetzt zurück. Als Trainer des FC Liverpool. Herzklopfen? Vermutlich. Wehmut? Nur am Rande. "Im Fußball ist es glücklicherweise ein bisschen anders als im normalen Leben, man darf mehrere Lieben haben", sagte der 48-Jährige vergangene Woche. "Dementsprechend tu' ich mich damit nicht schwer."
Das Pärchen Klopp und BVB schien unzertrennlich. Weil dieser fabulier-freudige Fußball-Fachmann aus dem Süden so wunderbar zu dem immer noch gefühlten Malocherklub aus der westfälischen Metropole passte. Weil Klopp ehrliche Arbeit und "Vollgasveranstaltungen" versprach und diese Ankündigungen auch einhielt.
Wankender Riese
Weil dieser hemdsärmelige Mann den wankenden Riesen dank seines erfolgreichen und mitreißenden Fußballs sportlich und dadurch auch wirtschaftlich in die internationale Beletage führte. Klopp hatte den eben noch beinahe insolventen BVB in eine Adresse verwandelt, die das englische Fachmagazin "4-4-2" im Jahr 2013 zum "heißesten Klub Europas" kürte.
Klar, dass die Menschen ihm in Dortmund und Umgebung zu Füßen lagen. Klasse Fußball, flotte Sprüche, pure Emotionen - dieser Dreiklang kam bei den fußballverrückten Ruhrpottlern bestens an. Beinahe von Beginn an war in dieser Beziehung der Trainer der Star. Auf dem Rasen zauberten Barrios, Kagawa, Götze, Lewandowski, Reus. Im Fokus der Scheinwerfer stand meist Klopp. Weil er jeden einzelnen Spieler und die gesamte Mannschaft stetig besser machte.
Überragende Rhetorik
Seine Jungs haben das nicht vergessen, das versicherte am Wochenende Marcel Schmelzer. Der Magdeburger erlebte unter Klopp den Aufstieg vom Regionalliga- zum Nationalspieler. Mats Hummels, Neven Subotic, Sven Bender, Shinji Kagawa bis hin zu einem Robert Lewandowski - die Liste der Profis, deren Karriere ohne "Kloppo" anders verlaufen wäre, ist lang und illuster.
Klopp galt und gilt als Spielerversteher, sein Einfühlungsvermögen lässt ihn tief in die Köpfe der Kicker eindringen. Er fällt jedem Spieler um den Hals nach einem Spiel, tatsächlich ist er jedoch autoritär wie wenige andere. Seine überragende Rhetorik bringt Fußballer dazu, fast alles für ihn zu tun, sie laufen, solange die Füße sie tragen - zu seinen Zeiten liefen die Borussen fünf bis zehn Kilometer mehr pro Spiel. Vollgasveranstaltungen halt.
Gefestigtes Gebilde implodiert
Dieses Alphatier brachte manche Jungs dahin, dass sie glaubten, dass sein Wille ihr Wille ist. Von Mario Götze heißt es, dass er bei seinem Abschied vom BVB gesagt haben soll, er sei bald körperlich am Ende, wenn er weiter unter Klopp spiele.
Solange die Ergebnisse stimmten, ging das gut. Es wurde auch kaum jemand der Rhetorik des diplomierten Sportwissenschaftlers überdrüssig. Doch dann, nach zwei Meisterschaften, einem DFB-Pokalsieg, dem Einzug ins Endspiel der Champions League und während zweier weiterer Vize-Meisterschaften, implodierte dieses vermeintlich so gefestigte Gebilde.
Kein "Plan B"
Klopps Art, Fußball spielen zu lassen, wurde dekodiert. Seine Worte fanden nicht mehr unwidersprochen Gehör bei seinen Spielern. Zu Beginn der Saison 2014/15 vergrößerten verletzte und unfitte Spieler die Probleme der Borussia. Der Trainer fand die "Reset"-Taste nicht, einen echten "Plan B" zum höchstintensiven "BVB-Fußball" konnte er nicht entwickeln.
In Klopp reifte zusehends die Erkenntnis, "nicht mehr zu 100 Prozent davon überzeugt zu sein", dass er der perfekte Trainer für diese Mannschaft sei, wie er es bei der Ankündigung seines Abschieds formulierte. Das "moderne Fußball-Märchen", wie Sportdirektor Michael Zorc es nannte, musste ein Ende haben.
Epilog der Geschichte
Heute und im Rückspiel in einer Woche gibt es nun einen Epilog zu dieser Geschichte. Jürgen Klopp wird die von ihm so beschworene Atmosphäre im Stadion nicht mehr in vollen Zügen genießen. Denn die Anfeuerungen gelten nicht ihm. Die heiße Liebe ist schneller erkaltet, als es anfangs für möglich gehalten wurde.