Paco Alcacer ist angeschlagen. Der Einsatz des treffsichersten BVB-Spielers gegen Borussia Mönchengladbach ist fraglich. Zuletzt spielten mal Mario Götze und mal Julian Brandt im Sturmzentrum. Einen zweiten gelernten Mittelstürmer gibt es nicht im Borussia-Kader. Im Sommer hielt Borussia Dortmund auf dem Transfermarkt zwar lange die Augen offen, entschied sich letztendlich aber gegen die Verpflichtung eines weiteren Angreifers.
Pro: Ja, ein Alcacer ist nicht genug (Von Tobas Jöhren)
Marco Reus fand Mitte der zweiten Hälfte die Lücke in der Freiburger Defensive. Der BVB-Kapitän zog mit Tempo in den Strafraum, bahnte sich einen Weg in den Rücken der Abwehr, wie es heutzutage gerne heißt, marschierte mit dem Ball am Fuß in Richtung Grundlinie und brachte die Kugel flach und scharf vor das Tor. Die Hereingabe, die eigentlich gar nicht schlecht war, wurde ein Rohrkrepierer, flog an Freund und Feind vorbei, weil aus BVB-Sicht niemand in der Nähe war, der den Fuß hätte reinstellen können. Die Mittelstürmerposition war verwaist.
Ohne Alcacer fehlt dem BVB der Zielspieler
Diese Szene aus dem Freiburg-Spiel veranschaulichte ganz gut, woran es dem BVB-Spiel fehlt, wenn Paco Alcacer nicht auf dem Platz steht. Reus fand in diesem Moment keinen Zielspieler, weil niemand da stand, wo ein Mittelstürmer nun mal stehen sollte - und weil Borussia Dortmund nun mal keinen Mittelstürmer mit ins Schwarzwaldstadion gebracht hatte.
Alcacer fehlte verletzt, in Freiburg spielte daher Mario Götze zum zweiten Mal in dieser Saison im Sturmzentrum, er interpretierte die Rolle als spielender Stürmer, genauso wie es auch Julian Brandt ein paar Tage zuvor in Prag getan hatte. Beide erledigten ihre Aufgabe nicht schlecht, mitunter sogar richtig gut - und doch wurde eben auch deutlich, dass beide nicht unbedingt Vollstrecker, sondern eher Vorbereiter sind. Ein klassischer Mittelstürmer hätte dem BVB gutgetan. Einer, der verwertet, wenn Götze, Brandt, Reus, Sancho und Hazard vorbereiten. Einer, der verwertet, wenn Alcacer nicht verwerten kann, weil er ausfällt.
Bis zur Winterpause sollte beim BVB nachverhandelt werden
Im Sommer hielt Borussia Dortmund lange die Augen auf dem Stürmermarkt offen, entschied sich schlussendlich aber gegen eine Verpflichtung eines Angreifers - auch, weil Trainer Lucien Favre nicht unbedingt als Fan von klassischen Mittelstürmern gilt. Die monatelange Überzeugungsarbeit der Bosse führte ins Leere. Bis zur Winterpause sollte nachverhandelt werden. Ein Plan B oder C im Sturmzentrum, das zeigte nicht erst das Freiburg-Spiel, kann nicht schaden - bei allen anderen Problemen, die der BVB in diesen Tagen zu lösen hat.
Contra: Nein, der Kader bietet genug Alternativen (Von Patrick Radtke)
Schon vor Beginn der Saison hat Lucien Favre die Notwendigkeit eines weiteren Stürmers in Frage gestellt. Als erste Alternativen nannte er im Interview mit dieser Redaktion vor der Saison Paco Alcacer und Mario Götze - auch Thorgan Hazard und Jacob Bruun Larsen könnten im Sturmzentrum spielen, jeder würde unterschiedliche Qualitäten mitbringen und verschiedene Möglichkeiten eröffnen, so der Schweizer. Damit hat Favre recht - Schnelligkeit, Laufwege in die Tiefe, Torgefahr. All das, was richtig gute Stürmer ausmachen, bringen die zur Verfügung stehenden Spieler mit. Ein Blick auf die Zahlen der Offensivspieler in der vergangenen Saison unterstreicht das nur: Jadon Sancho sammelte 29 Scorerpunkte, Reus 28, Hazard (bei Borussia M‘gladbach) 21, Alcacer 18, Götze 14.
Die Tormaschine des BVB rollt schon wieder
Und von Julian Brandt war damals noch gar keine Rede. Dass er - einer der begnadetsten Fußballer Deutschlands - jede Abwehrreihe durcheinander wirbeln kann, steht wohl außer Frage. Der BVB hat in dieser Saison 82 Torschüsse abgegeben, nur die Bayern und Eintracht Frankfurt zielten noch häufiger auf den gegnerischen Kasten. Dabei sprangen 19 Treffer heraus - auch hier ist nur der FC Bayern München noch besser. Und auch bei der prozentualen Verwertung der Chancen liegt der BVB mit 23,2 Prozent auf Rang zwei hinter dem SC Freiburg.
Klar, im Kader steht kein großer Stoßstürmer à la Mario Mandzukic oder Sebastian Haller, doch genau so ein Spielertyp hätte es enorm schwer mit Lucien Favre als Coach. Luuk de Jong kann da ein Trauerlied von singen.
Gebt dem BVB noch etwas Zeit
Außerdem stellt sich die Frage, welchen Kaderplatz ein zweiter Stürmer denn einnehmen soll. Schon jetzt ist das Geschrei riesig, wenn Mario Götze oder Julian Brandt nach guten Leistungen wieder auf der Bank Platz nehmen müssen. Andere Akteure scheinen aktuell komplett außen vor - wie Jacob Bruun Larsen, der in der Liga auf gerade 21 Minuten Spielzeit kommt. Wie soll das erst werden, wenn noch ein weiterer Stürmer mit Ambitionen im Kader stehen würde? Es wäre eine harte Probe für das Klima in der Mannschaft, welche mehr schaden als nützen würde. Gebt dem BVB noch etwas Zeit!
Tobias Jöhren, Jahrgang 1986, hat an der Deutschen Sporthochschule in Köln studiert. Seit 2013 ist er Mitglied der Sportredaktion von Lensing Media – und findet trotz seines Berufes, dass Fußball nur die schönste Nebensache der Welt ist.

Geboren und aufgewachsen am Niederrhein. Nach dem Abi erst ein freiwilliges, soziales Jahr bei Fortuna Düsseldorf, dann Studium der Geschichtswissenschaften und der Politikwissenschaften in der Landeshauptstadt. Nun im Ruhrgebiet auf Achse.
