Foto-Interview: Wovor haben Sie Angst, Pieter Hugo?
27.11.2017
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Frage 1: Wovor haben Sie Angst?
Pieter Hugos Antwort: „Bei der Arbeit für die Serie „Ruanda 2004“ habe ich im Murambi Technical College fotografiert. Da waren Haufen und Haufen und Haufen von toten Körpern. Um sie zu fotografieren, musste ich sie anfassen, hochnehmen und bewegen. Das war eine sehr intensive, traumatische Erfahrung. Doch am ersten Tag bekam ich kein gutes Bild, also musste ich wiederkommen. Am Ende des zweiten Tages fiel es mir nicht mehr schwer, es schien absolut normal zu sein, tote Menschen zu berühren und zu bewegen. Und mir wurde etwas über die menschliche Psyche klar: wie einfach es für uns ist, uns an komplett inakzeptable Umstände anzupassen. Wahrscheinlich ist das evolutionär bedingt. Das ist etwas, das mir Angst macht: dass wir in manchen Situationen Dinge hinnehmen, die eigentlich nicht hinnehmbar sind, und nichts dagegen tun.“
Pieter Hugos Antwort: „Das ist meine Tochter. Es schmerzt mich zu wissen, dass sie aufwächst in einer Welt, die ich in schlimmerem Zustand hinterlasse, als ich sie vorgefunden habe. Dass ihr wahrscheinlich Dinge widerfahren, die ihr wehtun. Diese Dinge werden sie auch formen. Es schmerzt mich, darüber nachzudenken.“
Pieter Hugos Antwort: „Ich liebe es, dass es mir möglich ist, meine Arbeit mit einem Sinn für Humor zu tun. Ich liebe meinen Job. Ich liebe ihn wirklich. Und ich liebe den dunklen Humor. Es macht Existenz tolerierbar, wenn man ihr etwas Humor entgegenbringen kann. Ich glaube, die Leute übersehen das oft in meinen Bildern."
In diesem Augenblick kommt ein Mann auf Pieter Hugo zu und bittet ihn darum, seinen Katalog zu signieren. Hugo signiert und sagt: „Was ich hasse? Kataloge zu signieren“, und lacht. Dann wird er ernst und geht zu seinem berühmtesten Foto des Hyänenzähmers. „Ich hasse es inzwischen, über dieses Bild, diese Serie zu sprechen. Diese Serie hat meine Karriere gestartet, und eigentlich besitze ich diese Bilder gar nicht mehr, sie sind nun Teil des öffentlichen Bewusstseins. Es fühlt sich wie ein früheres Leben an, ich kann mich nicht mal mehr daran erinnern, wie ich sie aufgenommen habe. Die Bilder selbst hasse ich nicht, aber über sie zu reden, schon.“
Pieter Hugos Antwort: „Ich denke, das Seltsamste und Fremdartigste überhaupt ist die Erde selbst. Es ist unser Planet. Dieser Ort (er zeigt auf das Foto) ist eine absolut lebensfeindliche Umgebung, aber er sagt so viel über uns aus. Das ist die dunkle Seite unseres Lebens.“
Pieter Hugos Antwort: „Fotografie ist eine Lüge. Sie ist nicht ausschließlich eine Lüge, aber sie ist auch nur zur Hälfte Wahrheit. Und ich mag es mit diesem Bedeutungsraum zu spielen, wie man sehen kann.“
Pieter Hugos Antwort: „Ich glaube, dass Liebe und Glück vorübergehend sind. Heute da, morgen fort. Das hier ist ein kleiner Moment von Liebe und Glück.“