Meister-Pianist Martin Stadtfeld spielt unsere Tageszeitung
Multimedia-Reportage
Tageszeitung statt Beethoven auf dem Notenständer. Wir haben Martin Stadtfeld, Starpianist aus dem Ruhrgebiet, fünf Artikel aus den Ruhr Nachrichten spielen lassen.Und das hat dem Pianisten aus Herne genauso viel Spaß gemacht wie uns.

Mit drei Videokameras und einem Stereomikrofon hat Kevin Kisker die Zeitungsinterpretationen von Martin Stadtfeld im Konzerthaus Dortmund aufgenommen.Schaper
"Das mache ich gerne", hat Martin Stadtfeld gesagt, als wir ihm am Mittwoch der vergangenen Woche nach seinem Klavierabend im Konzerthaus Dortmund die aktuelle Zeitung vom 13. Januar in die Garderobe gebracht haben.
Einen Tag später hat das Konzerthaus den Steinway-Flügel frisch gestimmt in den Orchesterprobenraum gebracht. Auf dem Notenpult stand die Tageszeitung.
Fünf Artikel aus der Zeitung
Fünf Artikel aus den Mantelressorts hat sich Martin Stadtfeld ausgesucht. - Keinen von der Kulturseite, und auch nichts vom Sport, "obwohl ich den BVB mag", sagt Stadtfeld.
Der Aufmacher "Terror in Istanbul" und die Glosse auf der Seite 1 "Förster im Weltall" haben ihn inspiriert, Sprache in Musik umzusetzen. Zu dem Text "Dampflok ging die Puste aus" auf der Regionalseite war ihm eine maschinenhafte Toccata von Prokofjew eingefallen.
Am "Stadlshow-Aus" hat ihm die Überschrift "Jung und hip alleine reicht nicht" besonders gefallen - obwohl der Pianist, der mit seinen Bach-Interpretationen eine Weltkarriere gestartet hat, erst 35 Jahre alt ist. Zur Jahreszeit passte dann der Text über "Mieter-Kummer: Schnee" auf der Wirtschaftsseite.
Der Kameramann baut Stereo-Mikrofone und Kameras auf, Martin Stadtfeld spielt sich warm, improvisiert, probiert. Unter dem Flügel sitzt sein Hund Snoopy, etwas schmutzig vom Spaziergang. Er sitzt auch zu Hause in Herne immer da.
1. Stück: Bach gibt Trost im Terror in Istanbul
Es kann losgehen. Der Terroranschlag in Istanbul bekommt ein Gefühl. Nachdenklich klingt das und nach Bach. Chromatische Abwärtsläufe erinnern an Trauer, im Bass hört man plötzlich laut und mächtig ein Bach-Motiv – so, als sollen die Töne Trost und Hoffnung geben.
Es ist eine eigene Improvisation von Martin Stadtfeld. "Bachs Musik hat die Kraft, um etwas zu verinnerlichen und zur Ruhe zu kommen", erklärt er.
Video mit Erklär-Interview: So klingt der Zeitungsartikel bei Martin Stadtfeld:
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2. Stück: Förster aus Kurpfalz im Weltall
Der nächste Text ist der "Förster im Weltall". "Diese Schlagzeile fand ich unwiderstehlich schön", sagt der Pianist und spielt den "Jäger aus Kurpfalz", in den sich plötzlich ein "Vom Himmel hoch" schleicht. Martin Stadtfeld ist auch ein guter Komponist und Bearbeiter von Musik. Das konnte man bei seinem Klavierabend im Konzerthaus hören und auch bei diesen Improvisationen.
Video mit Erklär-Interview: So klingt der Zeitungsartikel bei Martin Stadtfeld:
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3. Stück: Dampflok-Toccata von Prokofjew
Jetzt ist er warmgespielt für das Virtuose. Wie im Rausch zieht die Toccata von Prokofjew vorbei. „Diese maschinenhafte Musik steht für eine technikaffine Zeit. Man könnte die Schlagzeile ,Dampflok geht die Puste aus‘ fast als Allegorie auf die Technikverdrossenheit unserer Zeit sehen“, erklärt der Pianist im Video-Interview.
Das Video ist ein exklusives Dokument des Sony-Künstlers: "So ein Stück wie diese Toccata kann man nicht aufnehmen, dann beginnt man, an jedem Ton zu feilen. Das muss man einfach so raushauen." Und auch das klingt fantastisch bei diesem tollen Pianisten, der so viel nachdenkt über Musik.
Video mit Erklär-Interview: So klingt der Zeitungsartikel bei Martin Stadtfeld:
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4. Stück: Ein Walzer fürs Stadl-Show-Aus
Das Aus für die Stadl-Show ist Musik zum Entspannen - aber auch wieder sehr tiefgründig: In einen kleinen Walzer mischt sich ein Trauermarsch, Stadtfeld improvisiert wieder. Und das macht seine Interpretation der Zeitung spannender und kreativer als die von Lang Lang, der meist Werke von anderen Komponisten gespielt hat.
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5. Stück: Schnee in Dur und Moll
Mit Improvisationen über "Leise rieselt der Schnee" verabschiedet sich der Pianist. Durch Dur und Moll führt er das Weihnachtslied, umrankt es mit glitzernden Chopin-Läufen. "Die Menschen freuen sich über den Schnee, und dann mögen sie ihn doch nicht, weil sie Schnee schippen müssen oder die Straßen glatt sind", sagt Stadtfeld.
Wir sind beeindruckt. So schön kann Zeitung klingen. - Wenn Journalisten beim Schreiben am Computer und ein Pianist danach am Klavier die richtigen Tasten drücken.
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Zur Person: Meisterpianist Martin Stadtfeld
- Martin Stadtfeld ist 1980 in Koblenz geboren; der Meisterpianist lebt jetzt in Herne und ist einer der führenden Interpreten der Musik Johann Sebastian Bachs und der deutschen Romantik.
- 1997 gewann er den Rubinstein-Klavierwettbewerb in Paris, 2001 Preisträger beim „Busoni-Wettbewerb“ Bozen. 2002 gewann er den Internationalen Bach-Wettbewerb in Leipzig. 2015 bekam er in Dortmund den „Bajazzo“.
- Vier Echo-Klassik-Preise bekam er 2004 (Goldberg-Variationen von Bach), 2005 (Bach Pur), 2007 (Klavierkonzerte von Bach) und 2008 (Schubert-Sonaten).
- Auf seiner jüngsten CD hat er frühe Werke von Mozart aufgenommen.
- Von 2006 bis 2009 war Martin Stadtfeld „Junger Wilder“ des Dortmunder Konzerthauses.
- Hier geht's zur Homepage von Martin Stadtfeld.