Eine halbe Stunde laufen für Schokolade
Blick durch meine Brille
Warum in Syrien nicht jeder Fahrrad fährt.

In Syrien (hier Damaskus) bieten Aktivisten Fahrtraining für angehende Fahrradfahrer an.
Als ich in vor anderthalb Jahren in Deutschland ankam, fielen mir sofort die zahlreichen Menschen auf Fahrrädern und die Fahrrad fahrenden Gruppen am Samstagmorgen auf – für mich war das ungewohnt. Dürfen Frauen in Syrien Fahrrad fahren? Diese Frage höre ich fast täglich. Ich kann sie verstehen. Für manche ist es vielleicht komisch, wenn man als 21-jährige junge Frau eine halbe Stunde zu Fuß läuft, um eine Tafel Schokolade zu kaufen. Die Antwort auf die Frage:
Frauen in Syrien dürfen Fahrrad fahren – aber...
Kein Fahrrad-Verbot
Niemand verbietet es. Theoretisch dürfen alle Menschen in Syrien alle Verkehrsmittel zu jeder Zeit benutzen. Aber wer das Fahrrad nehmen möchte, sollte mutig genug sein, um gegen die vielen Autos zu kämpfen, die ohne Rücksicht auf Verkehrsregeln fahren. Außerdem gibt es auch keine geeigneten Radwege für Fahrradfahrer.
Aber was am meisten stört, sind die physischen und verbalen Belästigungen, die die Fahrradfahrerinnen treffen. Das heißt, Männer rufen Frauen sexistische Sprüche zu oder versuchen sie anzufassen, wenn sie vor ihnen auf dem Fahrrad warten. Aber die Sprüche passieren häufiger.
Initiativen zur Fahrrad-Förderung
Um Frauen und Männer in Syrien zum Fahrradfahren zu ermutigen, gibt es seit 2013 mehrere Initiativen wie „Frauen aus Damaskus auf dem Fahrrad“ „Los geht’s auf dem Fahrrad“ und „Wir sind gleich“ (Männer und Frauen), außerdem gibt es kostenlose Fahrradfahr- Workshops. Das hat dazu geführt, dass die Fahrrad-Kultur mehr akzeptiert wird.
Für mich heißt es jetzt: Fahrradfahren lernen. Ein Fahrrad hab ich schon. Bestimmt werde ich auch ein paar Mal herunterfallen, bevor ich mit diesem interessanten Verkehrsmittel fahren kann – und dann muss ich auch nicht mehr eine halbe Stunde laufen, um Schokolade zu kaufen.