Landgasthaus Heidekrug, Herberner Straße 19, 59368 Werne. Oder auch: Mitten in der Knüste. Wer das Restaurant ansteuert, hat aus der Werner Innenstadt einen rund zehn Kilometer langen Anfahrtsweg.
Doch das schien an diesem Sonntagabend für etliche hungrige Mäuler kein Problem zu sein. Sechs Tische, zum Teil mit mehr als vier Personen, waren besetzt, als wir, wie immer unangemeldet und ohne Reservierung, das Landgasthaus ansteuerten.
Erster positiver Eindruck: Der ehemalige Haupteingang zur Straßenseite ist mit einer breiten Rampe als behindertengerechter Zugang ausgerüstet. Der eigentliche Haupteingang befindet sich um die Ecke.
Im Windfang bleibt meine Begleitung, die küchenerfahrene und studierte Ernährungswissenschaftlerin, vor einem herzallerliebsten Boden-Panorama mit süßem Reh stehen. „Landgasthaus eben“, kommentiere ich eher unbeeindruckt das Arrangement.
Obwohl das Haus für einen Sonntagabend nicht schlecht gefüllt ist, sind genug Tische frei. Sie verteilen sich auf vier unterschiedliche Räume, außerdem gibt‘s hinten noch den großen Saal für - bestuhlt - bis 120 Personen. Als Wirte zeichnen seit 1999 Hans-Ludger (73) und Elisabeth (68) Berger mit ihrem Team verantwortlich.
Wir lassen uns zu einem Vierer-Tisch im hinteren, großen Speisenraum führen. Die Tische sind nett eingedeckt, der Raum ist hell und jahreszeitlich mit Herbstdekorationen verziert. Meine Begleitung prüft die florale Tischdeko: „Echte Blumen“, stellt sie zufrieden fest. Die beiden jungen Frauen, die uns abwechselnd bedienen, sind freundlich, zuvorkommend und machen ihre Sache gut.
Das Essen
Die Karte ist umfangreich, weist die üblichen Verdächtigen wie „Schnitzelparade“, „Spezialitäten des Hauses“, „Steaks“ oder „Toast-Gerichte“ auf. Die fünf vegetarischen Angebote bestehen unter anderem aus zwei Folien-Kartoffeln und einem Gemüsepfannkuchen.
Erfreut nehme ich die günstigen Preise der Hauptgerichte wahr - bis mir auffällt, dass sie alle ohne Beilagen annonciert sind. Das heißt, der Gast bestellt sich zu seinem Schnitzel Wiener Art für 6,20 Euro zum Beispiel Pommes frites für 1,80 und eine Gemüsebeilage für 2 Euro dazu.
So summiert sich mein Rinderfiletsteak mit Pfifferling-Rahmsoße (16 Euro) mit Kroketten (1,80 Euro), Gemüsebeilage (2 Euro) und Sauce Hollandaise (1 Euro) auf 20,80 Euro. Ich nehme es vorweg: Diesen Preis ist das Gericht mehr als wert.
Meine Begleitung blättert zwar die umfangreiche Karte durch, hatte sich aber eigentlich schon von Anfang an für ein Gericht von der speziellen Wildkarte entschieden: nämlich für die Wildentenbrust auf Calvadosrahm mit geschmorten Apfelspalten, Kroketten und Speckrosenkohl: 17.90 Euro komplett. Ich nehme es vorweg: Diesen Preis ist es mehr als wert.
Vorab ordern wir eine Wildkraftbrühe mit Pfannkuchenstreifen, die wir uns teilen wollen. Sie lässt keine Wünsche offen. Der Wildgeschmack kräftig, ohne aufdringlich zu sein, die Pfannkuchen-Streifen haben ihren Eigengeschmack behalten und passen mit ihrer milden Süße hervorragend zu der ausgekochten Wildbrühe. Erster dicker Pluspunkt. Und es folgen weitere.

Schön angemacht, gute Portion, toller Geschmack: die Wildente mit Calvadosrahm und Apfelspalten. © Jörg Heckenkamp
Nämlich die Hauptgerichte. Wie schon erwähnt, überzeugen sie auf ganzer Linie. Lediglich die Konsistenz der Ente bringt mein Gegenüber kurz ins Grübeln. Einige Stücke waren doch etwa härter vom Fleisch. „Aber es ist eben eine Wildente, da ist das Fleisch nicht immer butterweich“, meint sie. Den Geschmacksfreuden tut das keinen Abbruch. Vor allem die Calvaldossoße ist ein Träumchen für sich.

Das Filet selbst schlägt mit 16 Euro zu Buche, für die Beilagen (Kroketten, Gemüse, Soße) kamen insgesamt 4,80 Euro oben drauf. Alles sein Geld wert. © Jörg Heckenkamp
Gleiches kann ich von meiner Pfifferling-Rahmsoße berichten, die der perfekte Begleiter für mein rosa gebratenes und doch butterweiches Steak ist. Meine Begleitung probiert bei mir, schaut einmal kurz hoch und meint: „Besser geht‘s nicht.“
Ähnliche Lobeshymnen stimmen wir für den selbstgemachten Rosenkohl (noch knackig genug, aber nicht zu bitter), den bissfesten Blumenkohl, Erbsen- und Möhren und vor allem für die offenbar selbstgemachte Sauce Hollandaise an. Die glänzt durch buttrigen Geschmack, der genau den richtigen Zitronen-Ton aufweist und gefällt allgemein durch die „cremig-fluffige Konsistenz“, wie die Küchen-Könnerin an meinem Tisch es ausdrückt.
Wir fühlen uns rundum bestens verwöhnt, auch was die Größe der Portionen angeht. Zum Schluss haben wir doch noch einen Verbesserungsvorschlag: Wenn die Teller angewärmt gewesen wären, hätten wir noch länger Freude an den köstlichen Gerichten gehabt.
Womit wir beim kühlen Abschluss der bis dato sensationell guten Speisenfolge sind: Dessert. Die Dame wählt die Herrencreme, der Herr den Herbsttraum, der sich als eine Creme auf Pflaumen entpuppt. Und zwar in einer Konsistenz und geschmacklichen Brillanz, dass ich, nun mehr pappsatt, loben kann: „Vanillig, sahnig, cremig.“ Den Preis von vier Euro ist sie mehr als wert.

Die Herrencreme schmeckte meiner Begleitung, allerdings waren ihr die zahlreichen Blockschokolade-Stücke zu groß. © Jörg Heckenkamp
Meiner Begleitung mundet die Herrencreme ebenfalls hervorragend, sie stört sich allerdings an den kräftigen Blockschokolade-Stückchen. Aber sie weiß selbst: Das ist Jammern auf hohem Niveau. Ich dagegen mag solche bissfesten Stücke.
Die Getränke
Biere, Weine, Sekt, alkoholfreie oder heiße Getränke, Spirituosen und Cocktails - die Getränkekarte ist umfangreich, die Preise sind gemäßigt. So kostet ein Glas Wein (0,2 l) meist 4 Euro. Das Krombacher-Pils (0,3 l) ist für 2,10 Euro zu haben, das Glas Cola (0,3 l) für 2,20 Euro. Die Flasche Weizenbier schlägt mit 3,50 Euro zu Buche, ein Espresso mit 1,80 Euro.
Die Preise
Sind für den unkundigen zunächst sehr günstig. Wahrscheinlich fällt es auch erst nach einer Weile auf (so ging es mir jedenfalls), dass (fast) alle Hauptgerichte ohne Beilagen aufgeführt sind. Die kann man sich gegen Aufpreis selbst zusammenstellen. Was ja auch seine Vorteile hat, zumal die Preise sehr moderat ausfallen. Wie oben angeführt kostete mein Rinderfilet inklusive drei Sonderbeilagen 20,80 Euro. Die Wildente auf der Sonderkarte war komplett mit Kroketten und Rosenkohl für 17,90 Euro zu haben. Die Wildkraftbrühe tauchte mit 4,50 Euro auf der Abrechnung auf, die beiden Desserts (traum-haft!) mit jeweils 4 Euro. Eine gebackene Forelle inkl. Kartoffeln und kleinem Salat ist für 14,80 Euro zu haben. Die vier Kindergerichte kosten alle günstige 5,50 Euro.
Kurzum: Was wir gegessen haben, war jeden Euro wert, eher noch günstig zu nennen.
Die Atmosphäre
Das Landgasthaus ist etwas in die Jahre gekommen. Der Laminatboden im großen Speisenraum und die überholten Sitzmöbel fallen mir negativ auf, das Bemühen um die jahreszeitliche Dekoration positiv. Wir haben uns insgesamt jedenfalls wohl gefühlt, hatten auch keinen anderen Rahmen erwartet.
Der Service
Unsere beiden jungen Bedienungen machten ihre Sache hervorragend. Sie waren aufmerksam, freundlich und zuvorkommend.
ACHTUNG 1: Der Heidekrug lässt keine Kartenzahlung zu. Bargeld ist angesagt. Wir mussten tatsächlich unsere letzten Reserven mobilisieren, um die Rechnung über knapp 70 Euro zahlen zu können und um nicht in der Spülküche zu landen.
ACHTUNG 2: Entgegen der Angaben in der Speisenkarte hat der Heidekrug drei Ruhetage, nämlich montags, dienstags und mittwochs. Die Angaben im Netz sind korrekt (Stand November 2018).
Jahreszeitlich bedingt bietet das Lokal Sonderaktionen wie Struwen-Essen, Wildkarte, Gänse-Essen oder Grillen im Sommer.
Kinderfreundlichkeit
Vier günstige Kindergerichte hält die Karte bereit. Die anderen Gerichte der Karte sind als kleine Portionen zu haben, „die Kinder zahlen dann den Preis wie beim Seniorenteller“, sagt Wirtin Elisabeth Berger.
Im Sommer ist der große Biergarten des Heidekrugs gern angesteuertes Ziel für Radfahrer, auch für Familien, da es einen großen Spielplatz gibt.
Barrierefreiheit
Pluspunkt: Das Landgasthaus hat einen eigenen Zugang für Rollstuhlfahrer. Auch der Saal ist barrierefrei. Der Weg vom Speisensaal bis zu den Toiletten ist lang.
Mein Fazit
Ich habe einen unerwartet köstlichen Abend verbracht. Und das zu einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis mit aufmerksamem Service. Lediglich die Einrichtung war nicht so ganz nach meinem Geschmack.
Anfahrt/Parken
Das Restaurant liegt weit im Außenbereich, an der Verbindungsstraße zwischen Werne-Horst und Herbern. Im Sommer ist der Heidekrug Zielpunkt vieler Fahrradtouren. Parkplätze sind direkt am Haus vorhanden.
Was sagt das Netz zum Landgasthaus Heidekrug?
4,5 von 5 Sternen sind der Durchschnitt von insgesamt 74 Google-Rezensionen. Oft loben die Gäste den Biergarten.
Bei Tripadvisor finden sich zwei Einträge, einer befriedigend, einer gut.
Restaurant-Infos
Landgasthaus Heidekrug, Herberner Straße 19, 59368 Werne, Tel. (02599) 759062.
Donnerstags bis samstags von 17 bis 22 Uhr, sonntags 10 bis 22 Uhr, Frühstück auf Anfrage.
Montags bis mittwochs geschlossen.
Jeden Tag Menschen hautnah - nichts ist spannender als der Job eines Lokalredakteurs. Deshalb möchte ich nichts anderes machen - seit mehr als 35 Jahren.
